Da wir jetzt endlich mit den gröbsten Grundlagen durch sind, können wir anfangen, Gentechnik zu betreiben. In den nächsten Wochen werde ich diverse Methoden vorstellen, die benutzt werden, um Gene (mehr oder weniger) gezielt zu verändern. Und wir beginnen heute mit der neuesten dieser Methoden. Aber mal in Ruhe der Reihe nach:
Streptokokken. Jeder von uns kennt sie. Jeder von uns trägt sie tagtäglich in seinem eigenen Körper mit sich herum. Meistens fällt uns das gar nicht großartig auf, hin und wieder machen uns diese kleinen Biester allerdings unglaublich krank. Wenn sie uns krank machen, dann verursachen sie meistens Krankheiten der oberen Atemwege, z.B. Mandelentzündungen, Lungenentzündungen, und so weiter.
Eine besondere Art der Streptokokken bildet der sogenannte Streptococcus Pyogenes, der ausschließlich beim Menschen vorkommt und dort Krankheiten wie z.B. Scharlach verursacht.
Das sind die Bakterien, mit denen unsere Geschichte beginnt.
Denn selbstverständlich sind diese Bakterien ein wunderbares Forschungsobjekt. Interessant sind sie vor allem, weil sie eben ausschließlich den Menschen befallen. Und wie es in der Forschung häufig so ist, wurde aus der Grundlagenforschung, die man einfach aus Wissensdurst betrieben hat, eine Anwendung, welche die Gentechnik revolutioniert hat.
Während man die Eigenschaften dieser Streptokokkenart untersucht hat, hat man einen interessanten, bakteriellen Abwehrmechanismus entdeckt. Dieser Abwehrmechanismus wird immer dann aktiv, wenn das Bakterium erkennt, dass ein Virus versucht, seine DNA in das Bakterium einzuschleusen (also wenn ein Virus genau das tut, was Viren so tun. Eine Zelle kapern, um sich von dort aus zu vermehren). Wenn das Bakterium das Virus bereits kennt, so hat das Bakterium in seiner RNA eine Art „Erinnerung“ gespeichert. Diese Erinnerung ist nichts anderes als eine Sequenz aus der DNA des angreifenden Virus, die als CRISPR bezeichnet wird. CRISPR steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Zusätzlich zu dieser RNA-Erinnerung kommt noch ein bestimmtes Protein, die dann gemeinsam in der Lage sind, die eindringende Viren-DNA zu zerschneiden und das Virus damit zu zerstören.
Bevor wir darüber reden, wie genau diese eindringende DNA zerstört wird, lege ich euch noch dieses Video ans Herz, in dem die Grundlagenforschung erläutert wird, die letztendlich zur Entdeckung dieses Mechanismus führte (sogar auf Deutsch! Und in Farbe!):
Ich habe unter meinen Lesern nicht zufällig Mitarbeiterinnen von Professor Charpentier? Nein? Schade…
Okay, also, machen wir weiter im Text.
Wie im Video schon zu hören war, formt diese RNA einen Doppelstrang, bei dem ein Strang die Kopie eines DNA-Abschnitts der eindringenden Virus-DNA ist. Das Protein CAS9 fungiert als eine Nuklease, genauer, als eine Endonuklease, also als ein Enzym, das in der Lage ist, diese virale DNA zu zerschneiden (kurzer Einwurf: Enzyme sind im Prinzip Proteine, die als Katalysatoren funktionieren, also in der Lage sind, Vorgänge zu beschleunigen, die unter normalen Bedingungen viel, wirklich viel viel viel länger dauern würden).
So sieht das Protein CAS9 übrigens in seiner Kristallstruktur aus:
Wenn CAS9 und die RNA also die passende DNA-Sequenz gefunden haben, heftet sich die RNA an einen speziellen Punkt der viralen DNA, dem sogenannten PAM. Von dort aus bindet sich die RNA an die DNA und erzeugt somit einen neuen Doppelstrang. Allerdings nur einen. Der verbliebene DNA-Strang, sowie der verbliebene RNA-Strang, binden sich nicht aneinander. Nun kommt das Protein ins Spiel, das beide DNA-Stränge am selben Punkt zerschneidet. Passiert das, versucht die Zelle, in der diese Reaktion abläuft, also das Bakterium, diese zerschnittene DNA zu reparieren. Wenn diese Reparatur abläuft, passiert es, dass die zerschnittene DNA falsche Basen einbaut und somit mutiert. Diese Mutationen laufen zufällig ab und sorgen dafür, dass die reparierte DNA ihre Funktion einbüßt. Die DNA ist somit nicht mehr fähig, ihre eigentliche Aufgabe zu vollführen und im Endeffekt somit harmlos für das Bakterium. Der Angriff der Viren wurde somit von der Zelle erfolgreich abgewehrt.
An diesem Punkt war klar, dass man dieses Verfahren auch in der Gentechnik einsetzen können muss. Also hat man damit begonnen, das Verfahren zu optimieren. Man kann nämlich nicht nur die DNA eines beliebigen Organismus zerschneiden, sondern auch an diese Schnittstelle einen neuen DNA-Strang einbauen, der bestimme Proteine codiert, also einem Lebewesen, z.B. einer Pflanze, neue Eigenschaften gibt, oder einen mutierten Genstrang repariert.
Nachdem der CRISPR/CAS9-Komplex also seine Arbeit verrichtet und die DNA an einem bestimmen Punkt zerschnitten hat, bindet sich der gewünschte DNA-Strang einfach in die Lücke. Dadurch wird der Reparaturprozess des DNA-Strangs gar nicht erst begonnen. Da man verstanden hat, wie CRISPR nach dem speziellen Schnittpunkt in der DNA sucht, kann man CRISPR darauf „programmieren“ genau an der gewünschten Stelle der DNA anzusetzen und CAS9 genau die gewünschte Stelle der DNA zerschneiden zu lassen. Man bringt nun den gewünschten DNA-Strang ein, der den Ursprünglichen Strang „überschreibt“.
Den ganzen Prozess gibt es auch noch in bewegten Bildern zu sehen. In diesem Fall leider ausschließlich auf englischer Sprache:
Das beeindruckende an diesem System ist unter anderem die Präzision, mit der dieser Schnitt und der Einbau des DNA-Stranges ausgeführt werden. Wie oben beschrieben ist diese Methode aus dem natürlichen Abwehrmechanismus der Bakterien entnommen. Das System ist schnell und außerdem kostengünstig. Aufgrund dieser Vorteile ist es wirklich nicht übertrieben, von einer Revolution innerhalb der Biologie, Biotechnologie und Genetik zu sprechen. Gentechnik verabschiedet sich Schritt für Schritt von dem Image, dass es ausschließlich in der Hand von großen Konzernen und Laboren liegt, Gene zu verändern. Gentechnik ist längst ein Hobby für jedermann. Aber über diese selbstgemachte Gentechnik reden wir später auch noch.
Seit ungefähr zwei Jahren wird dieses CRISPR/CAS9-Verfahren angewendet. Und nun grätscht China in die ohnehin zögerliche Debatte zum Thema Gentechnik. Denn die Chinesen haben etwas getan, das nicht nur in der Fachwelt für eine ziemliche Kontroverse ach scheiß drauf, das nicht nur in der Fachwelt für eine ziemliche Aufregung gesorgt hat.
Durch den Einsatz von CRISPR hat es ein chinesisches Forscherteam geschafft, die Gene eines Embryos zu verändern. Soweit so reißerisch. Man muss erwähnen, dass diese Embryonen nicht lebensfähig waren. Sie entstanden im Rahmen künstlicher Befruchtungen und wurden niemals in einen menschlichen Organismus eingepflanzt.
Man tat das in der Absicht, ein Gen zu verändern, das bei Menschen zu einer Erbkrankheit namens β-Thalassämie führt. Nachdem wir so ausführlich über die Grundlagen der Proteinsynthese geredet haben, können wir auch nachvollziehen, wie diese Krankheit entsteht. Schaut euch zur Sicherheit nochmal Teil 1 und 2 der Grundlagenserie an, danach schaut ihr hier weiter. Wir reden von einer fehlerhaften Transkription des sogenannten β-Globins. Dieses Protein ist eigentlich Teil des Hämoglobin-Komplexes des Körpers und für die Bildung von roten Blutkörperchen verantwortlich.
Die DNA-Sequenz, die für die korrekte Transkription zuständig ist, besteht aus drei Exons und zwei Introns. Wird nun aufgrund von Mutationen in der Sequenz das zweite Exon übersprungen, oder es wird aufgrund fehlerhaften Splicings das dritte Exon übermäßig verlängert, sorgen diese fehlerhaft codierten Sequenzen für die Entstehung der Krankheit β-Thalassämie. Auch können fehlerhafte Splicing-Signale dazu führen, dass zusätzliche Exons entstehen und sich somit die Krankheit entwickelt. β-Thalassämie führt insbesondere zu Blutarmut. Damit verbunden sind auch allgemeine Krankheitssymptome, wie z.B. Abgeschlagenheit, verminderte Leistungsfähigkeit und Müdigkeit.
Um die Krankheit nun mittels gentechnischer Verfahren beheben, muss man dafür sorgen, dass die Splicing-Positionen in der DNA-Sequenz nicht nur an den richtigen Stellen sitzen, sondern bei der Transkription auch korrekt erkannt werden. Man muss also die Mutierten Basen „reparieren“. Die Chinesen haben nun die CRISPR-Technologie angewandt, um diese „Reparaturen“ durchzuführen (sollte die verlinkte Studie irgendwann auf eine leere Seite führen, sagt Bescheid, ich hab‘ sie hier).
Natürlich ist die Veränderung von menschlichen Genen eine ganz andere Hausnummer, als der Einsatz von grüner Gentechnik zur Veränderung von Nutzpflanzen (um dieses Thema soll es hier ja auch in erster Linie gehen), daher werde ich hier die Diskussion über die Ethik hinter diesem Projekt auslagern und komme darauf zurück, wenn ich explizit meine eigene Meinung zu den Möglichkeiten, den Gefahren, der Ethik und der Moral hinter den diversen Einsatzmöglichkeiten der Gentechnik erläutere.
Eine Sache sollte aber klar sein: Jeder der in Gentechnik eine Art Zukunftsmusik sieht, die erst in X Jahren in der Lage sein wird, das Leben der Menschheit direkt zu beeinflussen, wurde hoffentlich spätestens nach der Arbeit der Chinesen eines besseren belehrt. Es ist wichtig, eine öffentliche Diskussion über die Gentechnik und ihre Anwendungsgebiete zu führen, ohne dabei pauschal gegen „Gene“ und deren Veränderung zu sein. Wenn wir uns als Land von der grünen Gentechnik ausnehmen wollen, schaden wir nicht nur unserem Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland, sondern nehmen uns auch aus jeder zukünftigen Debatte über die Anwendungsgebiete der grünen Gentechnik, was letztendlich dafür sorgt, dass die Welt außerhalb der EU Entscheidungen trifft, die wir einfach mitzutragen haben.