Wenn wir über Gentechnik reden, dann müssen auch über die Persönlichkeiten reden, die diese Szene geprägt haben. Und bevor wir im nächsten Text das erste gentechnische Verfahren betrachten, schauen wir uns mal den Mann an, der für diesen ganzen Krempel verantwortlich ist.
Gregor Mendel war Mönch. Augustinermönch, um genau zu sein. Er war sogar Ordenspriester. Und wenn ich mir Mönche vorstelle, dann habe ich dieses Klischee im Kopf. Ein älterer, dickerer Mann, in einer braunen Kutte, mit einem Kreuz vor der Brust, der entweder langes Haar, eine Glatze, einen langen Bart, oder keinerlei Gesichtsbehaarung besitzt. Abgesehen von den Äußerlichkeiten würde ich einem Mönch aber noch ein anderes Vorurteil anlasten: Nämlich ein absolutes Desinteresse für Naturwissenschaften. Immerhin wäre ein Mönch für mich die Personifikation eines Geisteswissenschaftlers.
Gregor Mendel war allerdings nichts von all dem.
Geboren wurde er 1822 in Heinzendorf. Mit zwanzig Jahren ging er in ein Augustinerkloster. Dort kümmerte er sich mit Leidenschaft um die Erbsenpflanzen im Klostergarten, die ihn später als Begründer der Genetik unsterblich machen sollten. Mendel war nicht nur ein Mönch, sondern ein begeisterter Wissenschaftler und als solcher auch auf der Höhe seiner Zeit. Er befand sich sogar im regen Austausch mit Wissenschaftlern und Philosophen seiner Zeit. Unterstützt wurde dieses Verhalten dadurch, dass im Kloster in dem er lebte, viele weitere Mönche lebten, die sich begeistert den unterschiedlichsten Disziplinen der Naturwissenschaft widmeten. Das ging so weit, dass sogar der Bischof den Zustand am Kloster beklagte, da er fürchtete, es würde zu wenig für’s Seelenheil getan. Und die Befürchtung war sicherlich nicht unbegründet. Mendel hatte sogar die Möglichkeit, ein Studium der Physik, Botanik und Statistik in der Universität Wien anzutreten. Selbstverständlich nahm er das Angebot an. Am Ende seines Studiums kehrte er allerdings wieder ins Kloster zurück.
Zu Mendels Lebzeiten begann man so langsam, die Funktion von Zellen (insbesondere Eizelle und Spermium) zu verstehen. Man vermutete zwar, dass „Gene“ in irgendeiner Form existieren, aber vom genauen Aufbau, geschweige denn der Funktion selbiger, hatte man praktisch nicht die geringste Ahnung. Mendel sollte diese Vorstellungen revolutionieren. Und alles was er dafür brauchte, waren ein paar Erbsen.
Die Erbsenpflanze eignet sich deshalb so gut, um das Verfahren der Züchtung kennenzulernen, weil sie klar abgegrenzte Merkmale mitbringen. Außerdem werden diese Merkmale jeweils ausschließlich von einem einzigen Gen bestimmt. Man bezeichnet das als sogenannten „einfachen Erbgang“.
Auf diesem Bild sieht man hervorragend die unterschiedlichen Merkmale, deren Vererbung Mendel erforscht hat. Um zu gewährleisten, dass die Erbsenpflanzen „rein“ waren, also ihre Merkmale auch voll und ganz ausgeprägt haben, hat Mendel damit begonnen, reine Linien mit den jeweiligen Merkmalen zu züchten. Erst danach konnte er seine Studien beginnen. Ein großes Glück bei der Auswahl der Merkmale war die Tatsache, dass es Allele sind.
Um zu verstehen was Allele sind, denken wir nochmal an den letzten Text zurück. Erinnert sich noch jemand daran dass ich schrieb, wie Aminosäuren gebildet werden? Und erinnert sich noch jemand daran, dass zwei leicht unterschiedliche Aminosäuren entstehen, wenn sich die 3 verwendeten RNA’s in nur einer Base voneinander unterschieden? Nein? Tut ihr nicht? Okay, hier ist der Link, geht’s nochmal nachlesen und kommt dann wieder.
Ihr seid zurück (oder wart nie weg)? Freut mich. Nun schauen wir uns nochmal das obige Bild mit den Merkmalen der Erbsenpflanzen an. Eines der Merkmale sind z.B. die unterschiedlichen Blütenfarben Weiß und Violett. Man würde in dem Fall von einem Allel für die weiße, sowie von einem Allel für die violette Blütenfarbe reden. Ein Allel ist also ein Gen für dessen Ausprägung es mehrere Möglichkeiten geben kann. Analog hat man natürlich auch verschiedene Allele für Samen, Schoten, Stängel usw.
Mendel untersuchte nun also rund 28.000 Erbsenpflanzen auf die Eigenschaften, die Eltern- und Tochterpflanzen aufweisen. Dabei entdeckte Mendel diverse Regeln zur Vererbung von Eigenschaften, die heute als Mendelsche Regeln bekannt sind. Machen wir uns also erst mal mit dem entsprechenden Vokabular vertraut, und betrachten die erste der drei Regeln.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie diverse Gene, genauer, die entsprechenden Allele, vererbt werden können. Wichtig ist hierbei natürlich, dass die Elternpflanzen möglichst unterschiedliche Allelen besitzen, die vererbt werden sollen. Aber dafür hat Mendel ja bereits gesorgt.
Dominant: Vererbt sich das Allel eines Elternteils dominant, so setzt sich dieses Allel prozentual häufiger gegenüber anderen Allelen durch.
Rezessiv: Bei einer rezessiven Vererbung setzt sich das Allel prozentual weniger häufig gegenüber anderen Allelen durch.
Diese beiden Formen der Vererbung treten nur gemeinsam auf. Man spricht dann von einer Dominant-Rezessiven-Vererbung. Um das Ganze ein wenig plastischer zu machen, tun wir mal so, als hätten wir zwei Rosen. Eine rote, sowie eine weiße. Diese stellen die Elterngeneration dar.
Die Elterngeneration ist ganz oben auf der Grafik zu sehen. Die weiße Rose kann ausschließlich weiße Allele vererben, diese aber rezessiv (gekennzeichnet durch den kleinen Buchstaben). Die rote Rose kann ausschließlich rote Allele vererben. Diese werden dominant vererbt (gekennzeichnet durch die großen Buchstaben).
Bei einem dominant-rezessiven Erbgang haben die „Kinder“ nun alle eine rote Farbe (da sich dieses Allel durchsetzt), aber ebenfalls die Veranlagung für die weiße Blütenfarbe (zweite Zeile). Nun gehen wir davon aus, dass wir vier Kinder mit gleichen Merkmalen haben (jeweils ein weißes und ein rotes Allel). Bringen wir immer zwei dieser Kinder als „neue“ Elterngeneration zusammen, so sehen wir unter dem dritten Punkt der Grafik die Ausprägung der Allele. Die (R) und (w) die sich in dem Diagramm sowohl horizontal, als auch vertikal zeigen, sind die Allele der Eltern. Die Blumen zeigen, wie sie sich ausprägen. Auch hier vererbt sich die rote Blütenfarbe dominant, sobald ein Allel dafür im Erbgut vorhanden ist. Die weiße Blütenfarbe hingegen wird rezessiv vererbt und prägt sich nur dann aus, wenn kein Allel für die rote Farbe vorhanden ist, also lediglich weiße Allele vererbt werden.
Intermediär: Bei dieser Form der Vererbung kommt es zu einer Mischung der Allele der Eltern. Nehmen wir wieder eine rote Rose, sowie eine weiße Rose als Elternpflanzen. Die nun neu entstandene Pflanze wäre bei einer intermediären Vererbung nun nicht rot oder weiß, sondern rosa. Betrachten wir das Ganze in einem weiteren Diagramm
In der ersten Reihe, ganz oben, sehen wir die beiden Eltern. Ihre Erbanlagen sind klar definiert. Die weiße Rose kann ausschließlich weiße Allele vererben. Die rote Rose ausschließlich rote. Soweit wie eben. Nun haben wir aber etwas verändert. Wir haben kein dominantes Allel mehr, das die rote Farbe der roten Rose vererbt. Dieses ist jetzt ebenfalls rezessiv. Das bedeutet, kein Allel kann sich durchsetzen, was die rosa Farbe der Kinder erklärt. Alle vier Kinder haben aber dennoch die Allele für eine rote, sowie weiße Farbe in sich. Wir nehmen wieder jeweils zwei der Kinder und lassen sie ihre Eigenschaften vererben. Im Diagramm unter Punkt 3 sehen wir wieder die Allele (r), bzw. (w) dieser ehemaligen Kinder- jetzt Elterngeneration. In diesem Fall weisen die neuen Kinder durchaus Unterschiede zu ihren pinken Eltern auf. Denn sobald das rote Allel von beiden Elternteilen vererbt wird, ist auch das entsprechende Kind rot. Analog gilt dasselbe für das weiße Allel. Lediglich bei den Vererbungen, in denen sowohl ein rotes, als auch ein weißes Allel vererbt werden, haben die Kinder ebenfalls wieder eine pinke Farbe.
Nun gibt es noch einen Erbgang. Den sogenannten Kodominanten Erbgang. Während sich beim Intermediären Erbgang die Allele „mischen“, bilden sich bei einem Kodominanten Erbgang einfach beide Allele gleichstark aus. Ein schönes Beispiel hierfür sind unsere Blutgruppen. Kreuzt man zwei Menschen mit den Blutgruppen AA und BB miteinander, so hat die Generation der Kinder die Blutgruppe AB.
Wer nun aufmerksam mitgelesen hat, wird sich vielleicht durchgehend eine Frage gestellt haben: Wieso werden zwei Allelen vererbt? Sollte nicht ein Gen festmachen, welche Eigenschaft ein Lebewesen hat, anstelle von zwei Genen, die praktisch dasselbe tun?
Der Grund dieser Vererbung liegt in den sogenannten Chromosomen. Wir als Menschen haben 23 Chromosomenpaare. Also 46 Chromosomen. Wir haben deshalb Chromosomenpaare, weil wir jeweils ein Chromosom vom Vater und eines von der Mutter übernehmen. Diese Chromosomenpaare sind der Grund, warum wir uns teilweise extrem von unseren Eltern unterscheiden. Auf jedem Chromosom des Chromosomenpaares liegt also ein Exemplar eines Gens, das dieselben Dinge steuern kann. In unserem obigen Beispiel liegt auf den vererbten Chromosomenpaaren also das Gen für die Blütenfarbe. Ein Elternteil steuert das rote Allel auf einem Chromosom bei, ein anderes das weiße Allel auf dem anderen Chromosom. Beide Chromosomen wandern in den Körper des Kindes, aber nur eines der beiden Allele setzt sich durch. Das andere fristet ein impotentes Dasein in der Pflanze und wartet darauf, vielleicht in der nächsten Generation zum Zug kommen zu können.
Wir nennen Zellen, die solche Chromosomenpaare beherbergen „diploide Köperzellen“. Diese beherbergen die Chromosomenpaare. Es gibt allerdings auch sogenannte „haploide Geschlechtszellen“, das wären beim Menschen die Ei- und die Samenzelle. Diese beherbergen jedes Chromosom nur ein Mal. Macht auch Sinn, immerhin befruchtet die Samenzelle die Eizelle und vervollständigt somit den Chromosomensatz der Eizelle. Sie wird also diploid und beginnt die Zellteilung. Aber wie Babys gemacht werden und wie sie wachsen, ist ein anderes Thema.
Wenn wir auf den Grafiken zur Vererbung jeweils die erste Elterngeneration betrachten, dann sehen wir ja, dass sie jeweils ausschließlich Allele für die rote, bzw. weiße Farbe haben. Man spricht dann davon, dass die Eltern „reinerbig“ sind. Bei einer dominant-rezessiven Vererbung, sind die Nachkommen dieser Eltern dann alle untereinander gleich. Die rote Blütenfarbe vererbt sich dominant gegenüber der weißen Blütenfarbe, die erste nachfolgende Generation hat also ein dominantes, rotes Allel, sowie ein rezessives, weißes Allel (man nennt diese Kinder nun „mischerbig“). Bei einem intermediären Erbgang spielt sich dasselbe ab. Lediglich vererbt sich hier kein Allel dominant, bzw. rezessiv, sondern eben intermediär. Das ist auch schon die erste mendelsche Regel. Die sogenannte „Uniformitätsregel“. Bei reinerbigen Eltern, weist die Kindergeneration immer dieselben Merkmale auf. Die Kinder sind zudem „mischerbig“.
Bei der zweiten Erbregel reden wir über die Mischerbigen Kinder, die nun ihrerseits Merkmale vererben. Die zweite Regel legt das Verhältnis fest, in dem die Allele weitergegeben werden. Wir betrachten nun Punkt 3 der obigen Vererbungsdiagramme. Geben nun zwei Eltern ihr jeweiliges (R) und (w) Allel an die Kindergeneration weiter, so entsteht bei vier Kindern folgendes Verhältnis:
Ein Kind wird auf jeden Fall zwei Allele (R) erhalten. Es gilt somit als reinerbig und wird als Merkmal die rote Blütenfarbe ausbilden. Ein weiteres Kind wird die Blütenfarbe Weiß ausbilden, weil es die beiden Allele (w) vererbt bekommt. Auch dieses ist reinerbig. Die verbliebenen beiden Kinder bekommen jeweils ein (R), sowie ein (w) Allel vererbt. Diese Kinder sind mischerbig und bilden die Blütenfarbe Rot bei einer dominant-rezessiven Vererbung aus. Intermediär bekämen sie ein (r) anstelle eines (R) vererbt und würden die pinke Blütenfarbe ausbilden.
Bei einem Kodominanten Erbgang verhält es sich, wie bei der dominant-rezessiven Vererbung.
Diese „Aufspaltung“ des Erbgutes in diverse unterschiedliche reinerbige und mischerbige Nachkommen wird als „Spaltungsregel“ bezeichnet.
Regel Nummer 3 wird als sogenannte „Unabhängigkeitsregel“ bezeichnet. Diese Regel findet immer dann Anwendung, wenn man die Vererbung von mehreren Merkmalen beschreiben will. Und nun wird der Spaß so richtig unübersichtlich. Dieses Mal vererben wir auch keine Merkmale von Pflanzen, sondern von Tieren. Wir nehmen Katzen!
Wir sehen wieder die Elterngeneration unter Punkt 1. Dieses Mal wollen wir die Fellfarbe, sowie die Schwanzlänge vererben. S steht hierbei für einen kurzen Schwanz, s bezeichnet einen langen. Schwanz. B steht für die braune Fellfarbe, b steht für die weiße. Großbuchstaben bezeichnen hier wieder dominante Allele, kleine Buchstaben beschreiben die rezessiven Allele.
(Sorry, ich hab’s mir nicht ausgedacht. Macht einfach langsam und lasst euch nicht verwirren.)
Wir haben also eine weiße Katze, mit einem kurzen Schwanz, sowie eine braune Katze, mit einem langen. Das Merkmal der Fellfarbe wird also reinerbig weitergegeben (BB für reinerbiges, braunes Fell, bb für reinerbiges, weißes Fell). Selbiges gilt für den Schwanz. SS, sowie ss, beides reinerbig. Laut den obigen Regeln ist die Kindergeneration also mischerbig, weist aber die gleichen Allele auf. Sie haben jeweils das Allel für einen kurzen, bzw. langen Schwanz, sowie für eine weiße, bzw. braune Fellfarbe. Da die Allele für den kurzen Schwanz und die braune Fellfarbe dominant vererbt wurden, haben sie sich auch durchgesetzt und alle Katzen der ersten Kindergeneration haben eine braunes Fell und einen kurzen Schwanz. Aber die Allele für weißes Fell und langen Schwanz sind ebenfalls noch im Erbgut präsent! Nicht vergessen!
Nun paart man wieder jeweils zwei dieser Katzen miteinander. Da wir zwei Merkmale gleichzeitig vererben wollen, können sich 4 verschiedene Eltern ausbilden, die mit jeweils 4 verschiedenen Eltern gekreuzt werden können, was zu insgesamt 16 unterschiedlichen Ausprägungen der Kinder führt.
Die Allele zeigen sich in einem Verhältnis von 9:3:3:1.
Um das Ganze ein wenig verständlicher zu machen, empfehle ich folgendes Video:
Lasst euch nicht von der Aufmachung abschrecken. Inhaltlich ist die Videoreihe top, auch wenn mich die Art der Erklärung wirklich nervt. Dieses möchtegern-coole Gelaber ist einfach nichts für mich.
Dieser Text ist auf jeden Fall erstmal am Ende angekommen. Im nächsten Text beschäftigen wir uns dann endlich mit dem, worauf ihr alle wahrscheinlich schon sehnsuchtsvoll wartet. Wir reden darüber, wie man Gentechnik macht. Dann wird auch hoffentlich klar, warum ich euch in den letzten Monaten so unerbittlich mit den Grundlagen zu dem Thema gelangweilt habe.