Okay, wir alle kennen Monsanto als den Gentechnik-Konzern schlechthin. Monsanto steht quasi für alles, was in der Industrie schief läuft, es wird als skrupelloses, gieriges Unternehmen portraitiert, das Profit über alles stellt – insbesondere über die Gesundheit seiner Kunden.
Eigentlich sollte hier das Firmenlogo von Monsanto zu sehen sein. Aus irgendeinem Grund wird das Bild allerdings nicht korrekt angezeigt. Aber keine Angst, eine Horde hochtrainierter Alpakas arbeitet bereits daran, das Problem zu lösen!
Natürlich ist Monsanto erstmal ein Unternehmen, wie jedes andere. Ausgeprägter Lobbyismus und das Ausschöpfen aller Möglichkeiten, die sich so einem Unternehmen bieten, eingeschlossen. Das ist allerdings keine Krankheit, die nur Monsanto betrifft; jedem großen Unternehmen geht es ähnlich. Was Monsanto aber zu etwas so besonderem macht, ist sein Tätigkeitsfeld, sowie seine Geschichte.
Monsanto trat in der breiten Bevölkerung wohl zum ersten Mal auf, nachdem dieser Konzern gemeinsam mit der Bayer AG das Entlaubungsmittel Agent Orange herstellte, das großflächig im Vietnamkrieg eingesetzt wurde. Die Langzeitfolgen dieser Aktion zeigen sich in diversen Missbildungen, die innerhalb der vietnamesischen Bevölkerung aufgetreten sind, da Agent Orange mit dem Erbgutschädigenden Mittel TCDD verunreinigt war.
Wenn also der Name Monsanto fällt, wird dieser immer mit dem Vietnamkrieg in Verbindung bleiben, damit ist das Bild des Konzerns in den Köpfen der Leute gefestigt. Wenn ein solches Unternehmen dann noch im Bereich der Agrarwissenschaften tätig ist, steigt das Konfliktpotenzial mit der breiten Öffentlichkeit natürlich noch um einiges. Und so kommt es dann letztendlich, dass Monsanto nicht mehr ausschließlich für Vietnam, sondern auch für Roundup steht.
Roundup ist der Name eines Breitbandherbizids, also eines Unkrautvernichtungsmittels. Das Besondere an diesem Mittel ist die Tatsache, dass es auf so ziemlich alle Pflanzen angewandt werden kann. Monsanto vermarktete passend zu diesem Mittel seine eigenen, genetisch veränderten Pflanzen, die bestimmte Resistenzgene gegen Roundup besitzen. Wenn wir über Roundup reden, dann meistens über einen ganz bestimmten Stoff der drin steckt, nämlich das Phosphatsalz „Gylphosat“. Bevor wir weitermachen, will ich an dieser Stelle nur anmerken, dass Glyphosat schon seit rund 30 Jahren genutzt wird und keinesfalls erst seit kurzem auf dem Markt ist. Mittlerweile sind diverse Patente im Zusammenhang mit diesem Herbizid ausgelaufen, sodass dieses Unkrautvernichtungsmittel mittlerweile auch von diversen anderen Herstellern auf den Markt gebracht wird. Im Moment läuft das neue, EU-weite Zulassungsverfahren für Glyphosat, das eigentlich innerhalb der letzten Wochen abgeschlossen sein sollte, nun aber auf Mitte des nächsten Jahres verschoben wurde.
Wie wirken eigentlich Pflanzenschutzmittel in den Pflanzen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir mal ganz kurz über Schokolade reden.
Oh ja, Schokolade.
Habt ihr euch eigentlich jemals gefragt, warum wir Schokolade in rauen Mengen verspeisen können, während es für Hunde tödlich enden kann? Die Antwort auf diese Frage lautet „Theobrominvergiftung“. Theobromin ist als Wirkstoff in Kakao enthalten und wirkt (zumindest für den Menschen) Gefäßerweiternd, es steigert die Herzfrequenz, entspannt die sogenannte „glatte Muskulatur“ (die Muskulatur des Körpers, die nicht willkürlich steuerbar ist) und es sorgt dafür, dass man häufiger pinkeln geht. Allgemein kann man also sagen, dass Theobromin die Ausschüttung von Stoffen wie Dopamin und Adrenalin im Körper verstärkt. Für unseren Körper hat das einige Vorteile, was allerdings einen einfachen Grund hat: Theobromin wird im menschlichen Körper wesentlich schneller abgebaut, als im Körper von Tieren, insbesondere Hunden. In deren Körpern reichert sich Theobromin über Stunden hinweg an. Die Plasmahalbwertszeit von Theobromin (also die Zeit, die es benötigt, bis die Konzentration des Wirkstoffes im Blut um die Hälfte gesunken ist) beträgt beim Hund rund 18 Stunden, beim Menschen sind es nur rund 6.
Theobromin wird also aufgrund von zwei Faktoren für den Hund zur Gefahr:
1. Die Gene der Hunde ermöglichen es ihrem Darm-Nieren-Kreislauf nicht, Theobromin innerhalb kurzer Zeit abzubauen, was zu
2. einer übermäßigen Konzentration des Stoffes im Körper führt. Hier macht dann die Dosis das Gift.
Würden uns Menschen bestimmte Gene fehlen, die für eine schnelle Verstoffwechselung (das ist tatsächlich ein Wort!) von Theobromin verantwortlich sind, wäre es ebenfalls schon in geringen Mengen Gift für uns.
Diese beiden Punkte werden nicht nur heute eine Rolle spielen, sondern auch in unserem nächsten Text von Bedeutung sein, wenn es darum geht, was BT-Pflanzen sind und wie Insekten eigentlich mit Gentechnik klar kommen.
Kommen wir aber mal wieder zurück zu Roundup. Hierbei macht man sich ebenfalls einen Mechanismus zunutze, der auf einigen fehlenden Genen der Pflanzen beruht. Man sorgt einfach dafür, dass sich Glyphosat in den Zellen der Pflanzen an diversen Stellen anreichern, weil sie diese Stoffe nicht schnell genug abbauen können. Glyphosat sorgt dann für die Blockierung eines einzigen Enzyms, das später dafür verantwortlich ist, diverse Aminosäuren zu synthetisieren. Oder auf Deutsch: Glyphosat legt den Stoffwechsel der Pflanze lahm.
Bei den genetisch veränderten Pflanzen von Monsanto wurde das eben erwähnte Enzym durch ein Enzym ersetzt, das eine ähnliche Wirkung auf die Pflanze hat, aber eben nicht vom Glyphosat blockiert wird. Entdeckt hat man das Resistenzgen in einem kleinen Bakterium namens „Agrobacterium tumefaciens“.
Isser nich süß?
Nun hat es Monsanto in diverse seiner Nutzpflanzen eingebaut und somit ein eigentlich nettes Mittel entworfen, um Unkraut zu vernichten und ein wenig Geld zu verdienen. Das wäre ja eigentlich kein Grund zur Aufregung, wenn da nicht diese Angst wäre, dass Glyphosat zu Krebserkrankungen führt. Die WHO kam neulich erst zu dem Schluss, dass Glyphosat „wahrscheinlich Krebserregend“ ist.
Aber nicht nur die WHO ist dieser Meinung. Die BOKU (Universität für Bodenkultur Wien) – ein bekannter Esoterikschuppen – hat auch eine Studie ins Feld gesch(m)issen, die bestätigen soll, dass Glyphosat quasi der Satan unter den Herbiziden ist. Die Details zu dieser Studie gibt es auf Psiram zum Nachlesen, ich will es nur kurz so zusammenfassen: Ein Pflanzenschutzmittel sollte man vielleicht außerhalb von 36 Blumenkübeln auf die Wirksamkeit und die Umweltverträglichkeit testen. Ich bezeichne mich ja auch nicht als Chocolatier, nur weil ich da oben ein Bild von einigen Pralinen eingebaut habe. Solche Studien werden natürlich gerne zitiert, wenn es darum geht, seine Meinung gegen Glyphosat durchzudrücken. Neues Öl ins Feuer der Debatte hat, wie ich eben schon erwähnte, die WHO gegossen, als sie Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Und hier müssen wir auf die Formulierung achten. „Wahrscheinlich krebserregend“ ist die zweithöchste Einstufung, die von der WHO vorgenommen werden kann. Klingt auf jeden Fall schon ziemlich ernst, oder? Schauen wir mal wieder auf einige zufällig ausgewählte Stoffe, die ebenfalls in der Kategorie 2A (also „wahrscheinlich krebserregend“) eingestuft worden sind. Dafür verwende ich diese Tabelle der WHO. Es finden sich dort unter anderem einige (nicht mehr verwendete) Medikamente, wie das Antibiotikum Chloramphenicol, Krankheiten wie Malaria oder HPV, aber auch der Verzehr von rotem Fleisch (nicht zu verwechseln mit dem Verzehr von Bacon, Salami, Würsten oder anderem, verarbeiteten Fleisch, das fällt in Kategorie 1 und ist als Krebserregend eingestuft) sowie Schichtarbeit, die den natürlichen 24-Stunden-Rhythmus des Menschen unterbricht. Zugegeben, so ganz zufällig ist diese Auswahl nicht zustande gekommen, ich hab‘ extra nach Schlagworten gesucht, die ein wenig griffiger sind.
Die Stoffe die beim Braten auf hoher Temperatur entstehen, fallen übrigens auch unter die Kategorie 2A. Anabolika ebenfalls und wenn ich die Liste richtig gelesen habe, ist der Beruf des Friseurs dort vertreten.
Ihr seht, die Liste sagt also quasi alles und nichts aus. Was sie sagt, ist, dass es Stoffe gibt, die mehr oder weniger eindeutig Krebs auslösen können. Was die Liste der WHO aber nicht angibt, ist die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Krebserkrankung entsteht, wenn man den Stoffen ausgesetzt ist.
In Kategorie 1 der Liste tauchen Sonnenstrahlen und Zigarettenrauch auf. Aber wie finde ich denn jetzt raus, was gefährlicher ist? Eine Zigarette? 20 Minuten in der Sonne? 2 Steaks, die ich in der Pfanne etwas zu stark gebraten habe?
Scheiß drauf. Wir räuchern die Steaks jetzt mit Marlboro!
Hier kommt das BfR ins Spiel. Das Bundesamt für Risikobewertung, das im Zuge der Veröffentlichung der WHO konsultiert wurde und etwas vollkommen anderes gesagt hat. Zumindest auf den ersten Blick. Das BfR ist nämlich dafür verantwortlich, Grenzwerte anzugeben, und Stoffe danach zu bewerten, ab welcher Konzentration sie beim Menschen Krebs auslösen.
Im Zuge der Risikobewertung von Glyphosat hat das BfR über 1000 Studien ausgewertet und dieses Dokument veröffentlicht. Ich möchte an dieser Stelle gerne von Seite 5 des Dokuments zitieren:
„Geht von Glyphosat ein Risiko aus, für den Menschen krebserregend zu sein?
Das BfR kommt nach Prüfung aller bislang vorliegenden Studien zu dem Ergebnis, dass nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist“
Und das widerspricht der WHO nicht im geringsten. Das Zauberwort ist hier die „bestimmungsgemäße Anwendung“. Um ganz deutlich zu werden: Wer das Ding benutzt, wie auf der Verpackung angegeben, wird auf und in den damit besprühten Nutzpflanzen keine Grenzwerte verletzen und keine bedenkliche Konzentration von Glyphosat verursachen. Im Übrigen teilen alle Bewertungsbehörden unterschiedlicher Nationen – u.a. in Kanada, sowie das „Joint Meeting on Pesticide Residues“ ein Gremium der WHO – diese Schlussfolgerung.
Eigentlich wollte ich ja viel Sanfter in die politischen und aktuellen Geschehen rund um die grüne Gentechnik einsteigen. Aber ich hab‘ mit dann doch umentschieden, nachdem ich die Ausgabe von Pelzig hält sich, die am 3. November ausgestrahlt wurde, gesehen habe. Bei Minute 17 beginnt das Gespräch mit dem CSU Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Ungefähr bei Minute 24 geht diese Unterhaltung ins Eingemachte, schaut es euch einfach mal selbst an:
Eigentlich bin ich kein Fan von Christian Schmidt aber als Pelzig davon anfing, Industriegutachten und unabhängig erstellte Gutachten zur Frage der Erbgutschädigung aufzuwiegen, war es vorbei. Es ist absolut egal, welche Studie zu welchem Ergebnis kam, wenn man sich nicht anschaut, wie die Studie aufgebaut wurde. Denn dass Glyphosat krebserregend ist, hat auch die WHO bestätigt. Die Frage ist aber, ab welcher Menge diese Gefährdung eintritt, und ob diese Menge im täglichen Verzehr beim Menschen überhaupt erreicht werden kann. Deswegen nutze ich auch so ungerne Studien, um irgendeinen Effekt zu belegen (zumindest in der Biologie). Ein weiterer Punkt, der mich gestört hat, waren die Industriegutachten. Es ist gesetzliche Bestimmung, dass Unternehmen (auch in der Pharmazie) die Gutachten selbst zu finanzieren haben, um eine Unbedenklichkeit belegen zu können. Das kann man schlecht finden, wie man will, aber der Unterton klingt danach, als würde man die Studien einfach fressen. Dass hier die wissenschaftliche Methode greift, um den Inhalt der Studien unabhängig zu prüfen, fällt dabei hinten runter. Gerade Glyphosat ist außerdem ein Stoff, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat, bei dem also eine Vielzahl von Studien existiert. Es wäre also ein leichtes gewesen, die Grenzwerte zu googlen und zu schauen, ob Menschen eine Belastung im Bereich dieser Grenzwerte aufweisen. Im Dokument des BfR findet sich z.B. dieser weiterführende Link, der sich mit dem gefunden Glyphosat in diversen Urinproben auseinandersetzt. Dabei kommt man zu dem Schluss, dass die Exposition mit Glyphosat auch bei diesen Menschen deutlich unterhalb der Grenzwerte liegt (Faktor 1000 unterhalb der Schädlichkeitsgrenze).
Ich möchte auch mal auf einen ganz anderen Gedankengang hinweisen: Wen interessiert es überhaupt, ob Glyphosat Krebs verursacht? Es ist scheiß egal, wie Glyphosat den Körper schädigt, solange eine Schädigung im Bereich des Möglichen liegt, ist es wichtig, auf Grenzwerte und deren Einhaltung zu pochen, und ein Auge darauf zu haben, ob sich Glyphosat im Körper anreichert, denn wie wir am Beispiel der Schokolade gesehen haben, macht erst die Dosis im Körper den Stoff wirklich schädlich.
Das soll natürlich nicht heißen, dass Monsanto ein Unschuldslamm ist. Im Gegenteil, es gab vor rund 30 Jahren bereits Verurteilungen im Zusammenhang mit gekauften Studien, die für Glyphosat sprechen sollten. Das will ich in keiner Weise rechtfertigen, ich möchte nur darauf hinweisen, dass diese Manipulationen aufgedeckt wurden. Es gibt unabhängige Stellen, die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel prüfen und genehmigen, es gibt Behörden, die unabhängige Prüfungen durchführen. Niemand verlässt sich einfach so auf Studien eines großen Unternehmens.
Worauf man sich dummerweise dann doch verlassen hat, waren die Versprechungen, dass Glyphosat die Landwirtschaft wesentlich effizienter gestalten könne. Mittlerweile gibt es einige Studien, die selbstverständlich belegen, dass keinerlei Notwendigkeit im Einsatz von Glyphosat besteht, da man den Nutzen dieses Herbizids durch diverse andere Mittel, sowie ein regelmäßiges Pflügen des Ackers kompensieren kann. Ich möchte nur zu denken geben, dass ich über diesen Punkt hier noch nicht schreiben möchte. Bevor wir darüber reden, wie wir Landwirtschaft tatsächlich effizienter und schonender gestalten könnten, brauchen wir noch mehr Einblick in die Flora und Fauna so eines Ackers. Im nächsten Text reden wir deshalb über sogenannte BT-Pflanzen.
Eigentlich hatte ich vor, ein wenig mehr über die Grenzwerte und deren Einhaltung zu schreiben. Im Moment beginne ich mit diesem neuen Absatz allerdings bereits die 5. Seite dieses Beitrags, weshalb ich beschlossen habe, die Grenzwerte gemeinsam mit den befürchteten Schädigungen durch Gentechnik und deren Nebenprodukte in einen eigenen Text auszulagern und dann ein wenig detaillierter darauf einzugehen.
Um diesem Text also einen runden Abschluss zu geben, sei gesagt, dass Glyphosat tatsächlich ein Gift ist. Genau wie ausnahmslos alles andere, womit wir auf diesem Planeten konfrontiert werden. Es ist ein Salz, dessen Zweck es ist, Unkraut wirksam zu vernichten und diesen Zweck erfüllt es auch hervorragend. Dennoch existieren Grenzwerte, gesetzliche Bestimmungen und Studien die belegen können, dass bei dem ordnungsgemäßen Einsatz des Herbizides, die Gefahren für eine Krebserkrankung beim Menschen (oder beim Tier) zu vernachlässigen ist.
Ich bin der Meinung, dass ein Großteil der Ablehnung von Glyphosat natürlich darauf basiert, dass Monsanto dieses Mittel vertreibt und dass man Gentechnik nutzt, um resistente Pflanzen zu züchten. Und ja, ich war früher schon so scharfsinnig. So, jetzt hatte ich eure Aufmerksamkeit lange genug. Nun kümmert euch erstmal wieder um das dringendere Thema, dass uns in diesen Tagen beschäftigt.
Nachtrag vom 29.6.16:
An dieser Stelle fand sich in einer editierten Version des Textes ein Zweifel an der Ungefährlichkeit von Glyphosat. Nachdem ich für meinen aktuellen Text zur Glyphosatzulassung die Faktenlage nochmal überprüft habe, bin ich zu der Einsicht gekommen, dass die Kritik an den Methoden des BfR nicht gerechtfertigt ist