Promotion, Friedensnobelpreis, zwei Ehrendoktorwürden, Medal of Freedom, Ehrenmedaille des Kongresses, Aufnahme in diverse Akademien der Wissenschaften (u.a. Royal Society) und eine eigene Bronzestatue. Diese Auszeichnungen wurden Norman Borlaug zu Lebzeiten, bzw. nach seinem Tod im Jahr 2009 zuteil. Trotzdem dürfte kaum jemand diesen Namen in langer Zeit, bzw. überhaupt jemals gehört haben. Das ist allerdings ein Schicksal, das vielen Wissenschaftlern zuteilwird. Die Forschung überlebt den Forschenden, die Technik den Techniker. Vielleicht liegt’s auch am Desinteresse der Leute. Aber ihr seid ja hier und wollt wissen, was es mit diesem Mann auf sich hat. Also legen wir mal los:
Norman Borlaug war Agrarwissenschaftler, der maßgeblich für die sogenannte „grüne Revolution“ verantwortlich war. Diese Revolution brachte viele Hochertragssorten wie zum Beispiel Weizen und Reis hervor, die in der Lage waren, den Hunger in großen Teilen der Welt zu bekämpfen. Angefangen hat diese Revolution im Mexico der 1940er Jahre. Damals waren die Mexikaner darauf angewiesen, rund 50% ihres Weizens zu importieren. Nachdem Norman Borlaug eine hochertragreiche Weizensorte gekreuzt hatte, konnte Mexico innerhalb von weniger als 20 Jahren den Weizenertrag auf heimischen Feldern rund versechsfachen und war somit nicht mehr auf Importe angewiesen.
Das Geheimnis an den Weizensorten waren zum einen die geringe Wuchshöhe, die die Pflanzen schwerer umknicken und schneller reif werden ließ, sowie die eingekreuzten Resistenzen gegen Schädlinge.
Unterstützt wurde das Projekt in Mexiko von der dortigen Regierung, sowie von der Rockefeller-Foundation, in deren Auftrag Borlaug damals die Hochertragssorten züchtete.
Nachdem sich der Erfolg des Programms in Mexiko abzeichnete, gründete die Rockefeller-Foundation in Manila das internationale Reisforschungsinstitut, IRRI. Dort entstand eine Reissorte, die in der Lage war, den Hunger in Asien einzudämmen. Bekannt ist der Reis dort unter dem Namen India Rice 8, kurz IR8. Ähnlich wie der Weizen in Mexiko ist der Reis ertragreicher und wächst schneller. In den letzten Jahrzehnten hat das IRRI diverse Reissorten gezüchtet, die sich alle auf die geologischen Unterschiede in den Anbaugebieten angepasst haben. Sei es eine Trockenresistenz, eine Salzwasserresistenz, oder auch die Fähigkeit der Reispflanze, Beta Carotin zu produzieren. Natürlich sind die genannten Projekte nur Exemplarisch zu sehen. Die Arbeit von Norman Borlaug und der Rockefeller-Foundation haben den Grundstein gelegt, der uns die moderne Landwirtschaft gebracht hat.
Die ersten beiden Eigenschaften, die ich eben aufgezählt habe, konnten durch Züchtung diverser Reispflanzen eingeführt werden. Züchtung alleine unterliegt allerdings engen Grenzen. Es können nur Eigenschaften eingebaut werden, die bereits in den entsprechenden Pflanzen existieren (die Details zur Züchtung habe ich ja damals bei Gregor Mendel schon angebracht). Möchte man eine Pflanze dazu bringen, andere Nährstoffe zu produzieren, muss man zwingend fremde Gene einführen. Das bewerkstelligt man mittels der gentechnischen Methoden, die in den letzten Wochen Teil dieses Blogs waren (und einen Text zu dem Thema hab‘ ich noch. Der kommt bald). Aber auch gezielte Züchtung ist nichts anderes als (konventionelle) Gentechnik. Nur halt leider unfassbar ineffizient. Trotzdem ist es der grünen Revolution gelungen, die Versorgung mit Nahrungsmitteln in Entwicklungsländern zu sichern. Die Erträge dort haben sich insgesamt um rund 25% verbessert, die Nahrungsmittelimporte sind um knapp ein Drittel gesunken und es konnten rund 200 Millionen Menschen vor dem Hungertod bewahrt werden.
Das Wundervolle an Norman Borlaugs Werk ist die Unabhängigkeit, die er in diese Länder gebracht hat. Die Unabhängigkeit von Importen aus Industrienationen. Dieser Gedanke ist auch einer der Antriebe für die moderne, grüne Gentechnik, die unter Anderem versucht, Mangelernährungen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu bekämpfen, ohne die verantwortlichen Industrienationen zu neumodischen Kolonialisten aufzublasen.
Dummerweise gibt es das ein oder andere Problem, das mit der grünen Revolution auftrat. Die Hochertragsorten wurden rigoros eingesetzt, der Pestizidverbrauch stieg. Das Auftreten von Monokulturen wurde gefördert, was die Verbreitung von Schädlingen vorantrieb, wodurch sich wiederum die Menge an (zumeist importierten) Pestiziden erhöhte.
Die Pflanzen wurden auf hohen Ertrag gezüchtet. Es ging darum, Menschenleben zu retten, indem man den Hunger bekämpft. Leider hat das nicht überall geklappt. Denn obwohl der Ertragreiche Weizen kurz nach Mexiko auch in Indien und Pakistan eingeführt wurde und dort ebenfalls für eine Unabhängigkeit der Länder gesorgt hat, gibt es bis heute noch diverse Länder, die vom Hunger betroffen sind, und so eine Revolution dringen brauchen. Norman Borlaug war allerdings bis zu seinem letzten Tag damit beschäftigt, die Revolution voranzutreiben.
Die grüne Gentechnik kann der nächste Schritt der grünen Revolution sein, indem man Pflanzen erschafft, die resistenter gegen Schädlinge sind und Nährstoffe produzieren, die Menschen nicht nur vor dem direkten Hungertod, sondern auch vor Krankheiten schützen, die durch den Mangel an Nährstoffen verursacht werden. Diese Pflanzen können trotz allem weitaus weniger anspruchsvoll sein, als die Pflanzen, mit denen die grüne Revolution begonnen wurde, und so universal auch in eher „rauen“ Gegenden eingesetzt werden. Das ganze mag jetzt so klingen, als würde die grüne Gentechnik wirklich all unsere Probleme lösen. Das wird sie aber nicht vermögen. Die Evolution ist leider ein konstanter Wettlauf und es wird bald schon Schädlinge geben, die an diesen neuen Pflanzen Schaden anrichten können. Auch werden wir vielleicht mit steigender Population irgendwann an die Grenzen der Gentechnik stoßen. Zumindest im Hinblick auf den zu erwirtschaftenden Ertrag. Aber was Gentechnik – ähnlich wie die grüne Revolution vor rund 60 Jahren – heute schon zu tun vermag, ist den Hungertod von Menschen zu verhindern. Wir werden an Grenzen stoßen, diese werden aber hoffentlich dank der Gentechnik in weite Ferne rücken. Und wenn wir an diese Grenzen stoßen, sind wir als Gesellschaft hoffentlich weit genug, um mit den Herausforderungen, die sich daraus ergeben, besser umgehen zu können, als wir es im Moment tun.