Astronomietagebuch – Teil 7: Wo kommen die Atome her?

Letzte Woche sprachen wir darüber, wer eigentlich genau welchen Beitrag zur Urknalltheorie geleistet hat. Mittlerweile ist diese Theorie überaus gut belegt und ich möchte mal wieder die Gelegenheit nutzen und darauf hinweisen, dass eine Theorie in der Wissenschaft anders gemeint ist, als im normalen Sprachgebrauch. Dort meint man mit einer Theorie meistens eine Überlegung, eine Idee bzw. eine Vermutung, die sich in der Realität noch beweisen muss. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch spricht man von einer „Hypothese“, wenn man von einer Idee oder einem Erklärungsversuch redet. Wird diese Hypothese zweifelsfrei beweisen, spricht man in Zukunft von einer Theorie. Deswegen heißt es zum Beispiel auch „Gravitationstheorie“, nicht „Gravitationshypothese“.
Ich erwähne das nur, weil solche Texte Erfahrungsgemäß einige Leser anziehen, die sich mit dem Jargon noch nicht wirklich auskennen – und natürlich weil gelegentlich einige Leser vorbeischauen, die von der Entstehung unseres Universums eine ganz eigene Idee haben, die sie als valide darstellen, „da die Sache mit dem Urknall ja auch nur eine Theorie sei“.
(Originalzitat eines Gesprächs mit einem Elektroingenieur der an der Idee des Plasmauniversums festhält )

Aber ich möchte ja heute keinen Beitrag über die alternativen Ideen zur Entstehung unseres Universums schreiben, sondern ich möchte die Frage beantworten, woher unsere Atome eigentlich kommen.

Die Expansion des Universums Gemeinfrei
Die Expansion des Universums
Gemeinfrei

Am Anfang war der Urknall und anders als der Name vermuten lässt, gab es damals keine Explosion oder Knall, sondern eine rapide Ausdehnung von Materie und Energie, ausgehend von einem winzig kleinen Punkt, der sogenannten Singularität. In diesem Fall spricht man von der zeitlichen Singularität, da wir lediglich in der Lage sind, die Entwicklung des Universums vom Zeitpunkt des Urknalls aus (dieser ist dann t = 0) zu untersuchen. Den eigentlichen Urknall können wir nicht untersuchen, da sich sämtliche Materie und jede Form von Energie (also alles was wir überhaupt untersuchen könnten) erst unmittelbar nach dem Urknall ausbilden konnte. Wir wissen nicht was vorher war und wir werden es vielleicht auch nie wissen.

Der früheste Zeitpunkt den wir erklären können und somit der Beginn unseres Universums, ist die sogenannte Planck-Zeit. Das eine Zehnseptillionstel Sekunde (oder auch 5,43*10-43 Sekunden). Und passend zur Planck-Zeit herrschte zu diesem Zeitpunkt im jungen Universum die Planck-Temperatur, 1,4*1032° Kelvin (oder auch Grad Celsius, bei der Temperatur kommt’s auf 200° mehr oder weniger wirklich nicht mehr an). Zu diesem Zeitpunkt formten sich die Grundkräfte unseres Universums (also starke und schwache Kernkraft, Gravitation sowie die elektromagnetische Kraft), die aber damals nicht voneinander unterscheidbar waren und somit eine Art „Urkraft“ bildeten. In der Sekunde in der die Temperatur unterhalt der Planck-Temperatur sank, spaltete sich die Gravitationskraft von den anderen Kräften (die von dem Moment an kombiniert als GUT-Kraft beschrieben wurden) ab.

Gemäß Einsteins Formel E=mc² war es so kurz nach dem Urknall heiß genug, um aus Photonen Materie entstehen zu lassen, und umgekehrt – aus Materie Energie zu machen. Aufgrund der enormen Temperatur fand dieser Vorgang unaufhaltsam statt. Selbst als die GUT-Kraft bei einer Temperatur von 1029 Kelvin in die Starke und die Elektroschwache Kraft gespalten wurden, was eine enorme Energie freisetze und die Inflation unseres Universums startete, war die Temperatur noch immer zu hoch um stabile Teilchen zu bilden. Diese sogenannte „Elektroschwache Ära“ begann, als unser Universum 10-38 Sekunden alt war und endete erst, als unser Universum ein Alter von 10-10 Sekunden erreichte. Zu diesem Zeitpunkt trieb die Inflation unser Universum so weit auseinander, dass die Temperatur auf 1015 Kelvin sank (also nur knapp die hundertmillionenfache Temperatur des Kerns der Sonne betrug) und sich nun auch die GUT-Kraft in die Grundkräfte aufspalten konnte, die unser Universum heute kontrollieren.

An dieser Stelle möchte ich kurz einwerfen, dass unser Universum zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal eine Sekunde seines Lebens hinter sich hatte.

Jetzt war das Universum so weit ausgedehnt, dass die Temperatur nicht mehr genügte, um Energie und Materie ohne weiteres ineinander umzuwandeln. Nun waren die Bedingungen gegeben, um die ersten Elementarteilchen dauerhaft zu erzeugen. Bisher prallten ja lediglich Photonen aufeinander, die (je nach Energie) verschiedene exotische Teilchen erzeugten, welche sich gegenseitig gleich wieder vernichteten. Hier ein kleines Beispiel:

Gemeinfrei
Gemeinfrei

Treffen zwei Photonen mit genügend Energie aufeinander, so wandeln sie sich in ein Elektron und sein Gegenstück, ein Positron um. Treffen diese beiden Teilchen nun wieder aufeinander, annihilieren sie sich gegenseitig und es entstehen wiederum zwei Photonen (wie im Bild zu sehen).
Es entstanden allerdings noch unzählige andere Teilen, unter ihnen zum Beispiel Gluonen und Quarks, welche begannen, sich zu Protonen und Neutronen zusammenzufügen. Währenddessen kollidierten all diese Protonen und Neutronen mit ihren Antiteilchen und löschten sich gegenseitig aus. Alle Teilchen? Wohl kaum. Dann würde heute ja keinerlei Materie existieren. Aus irgendeinem uns unbekannten Grund, trafen eine Milliarde Antiteilchen auf eine Milliarde und ein Teilchen. Dieses eine Milliardstel an Teilchen, das den Prozess der gegenseitigen Auslöschung überstand, ist heute für die gesamte Materie im Universum verantwortlich. Jedes Sandkorn, jeder Mensch, jeder Planet, jedes Sonnensystem und jede Galaxie im Universum kombiniert, sind lediglich ein Milliardstel der Materie, die am Anfang im Universum vorhanden war.

Unser Universum ist mittlerweile 0,001 Sekunde (eine Millisekunde) alt und sämtliche Teilchen die später unsere Atome formen, sind bereits geschmiedet, können sich aber noch nicht vereinen, weil die Temperatur dafür noch immer nicht ausreicht. Unser Universum ist nichts weiter als eine heiße Suppe voller Protonen und Neutronen, umgeben von einem Plasma aus Elektronen. Zum Glück! Die Temperatur war gerade gut genug um eine Kernfusion zu zünden, die einige Protonen mit Neutronen fusionierte, und so dafür sorgte, dass die Masse des Universums zu 75% aus Protonen (also dem Kern eines Wasserstoffatoms) und zu rund 25% aus Helium-Kernen (2 Protonen, 1 Neutron) bestand. Zugegeben, die Prozentangaben sind ein wenig aufgerundet. Durch die Kernfusion entstanden noch Wasserstoffisotope wie Deuterium (1 Proton, 1 Neutron), und auch Lithium war bereits in geringen Mengen vorhanden (3 Protonen, 4 Neutronen). Zu diesem Zeitpunkt war das Universum bereits 5 Minuten alt und ungefähr eine Milliarde Grad heiß.

Jetzt machen wir einen gigantischen Sprung von 380.000 Jahren. So lange dauerte es, bis sich das Universum weit genug ausdehnen konnte, damit sich die Temperatur verringerte und dafür sorgte, dass sich die ersten Elektronen an die Atomkerne binden konnten, um so die endgültigen Atome zu erzeugen. Und erst als die Elektronen an die Atomkerne gebunden wurden, war der Weg für die verbliebenen Photonen frei, ihren Weg durch das Universum anzutreten. Mit anderen Worten:
In den ersten 380.000 Jahren war es im Universum vollkommen finster. Photonen wurden zwischen den freien Elektronen hin und her geschoben und hatten keine Gelegenheit, dem Plasma zu entkommen. Ein Beobachter von außen hätte also 380.000 Jahre lang nichts als Dunkelheit gesehen.

Um das Universum zu erzeugen, das wir heute sehen, ist allerdings noch ein weiterer Schritt vonnöten, der bis heute nicht beendet ist.

Durch die Gegenseitige Anziehung der Atome (und aller möglichen freien Elektronen und Photonen und etwas, das wir als dunkle Materie bezeichnen), bildeten sich langsam große Wolken aus Atomen, die immer dichter wurden, wodurch im Kern dieser Wolke die Temperatur und der Druck stiegen, was schließlich dazu führte, dass eine Kernfusion einsetze und aus den leichten Atomen schwerere fusionierte. Wie genau daraus nun die ersten richtigen Galaxien entstanden, klären wir ja vielleicht nächste Woche?