Ich habe ja nur darauf gewartet, dass dieses Thema irgendwann in der Vorlesung angesprochen wird. Es geht um die Frage aller Fragen, dem größten Geheimnis der Welt: Woher kommen wir? Und um das zu beantworten, blicken wir 14 Milliarden Jahre in die Vergangenheit…
Halt!
Ich kann diese Aufmacher nicht mehr lesen. Das Thema Urknall ist wohl das einzige wissenschaftliche Thema, mit dem sich wirklich JEDER bereits beschäftigt hat. Es gibt keinen Blog der die Geschichte nicht schon erzählt hat, oder einen Text in der Schublade hat, um sie zu erzählen. Jeder Fernsehsender hat diese Geschichte in einer TV-Doku (gesprochen von Morgan Freeman) verarbeitet und jede Zeitung hat mindestens 5 Artikel zu dem Thema online, die wahrscheinlich alle von dem Schülerpraktikanten verfasst wurden.
Auch hat fast jeder Mensch schon Mal von der Urknalltheorie gehört und je nach Grad der persönlichen Abgedrehtheit hat ein Großteil davon eine ziemlich eigenwillige Meinung zu dem Thema.
Besonders schlimm ist bei der Berichterstattung allerdings, dass die Leute immer versuchen müssen, sich selbst in möglichst vielen Superlativen zu übertreffen. Alles soll mysteriös und geheimnisvoll klingen, möglichst große Zahlen sollen deutlich machen, wie unbedeutend der Mensch doch ist und Morgan Freeman soll dem ganzen noch den göttlichen Touch verleihen.
Dabei ist die Leistung der Menschen, die die Expansion des Universums bemerkten und beschrieben auch schon beeindruckend genug. Vor allem kommen diese Geschichten aber ohne die Bemerkung aus, wie unbedeutend der Mensch ist; stattdessen werden die Errungenschaften der Menschheit in den Vordergrund gerückt.
Zum Beispiel die Arbeit von Vesto Slipher, einem amerikanischen Astronomen, der als erster anhand der Spektrallinien verschiedener Sterne eine Rotverschiebung erkennen konnte und daraus folgerte, dass sich diese Sterne von uns entfernen. Ihm ist damit etwas gelungen, was Einstein nicht vollbringen konnte (und später als die „größte Eselei seines Lebens“ bezeichnete). Während der berühmteste Wissenschaftler der Welt die mathematischen Theorien zur Beschreibung unseres Universums aufstellte, ging er davon aus, dass es sich um ein statisches Universum handele. Das bedeutet, alles war wo es schon immer gewesen ist und abgesehen von rotierenden Bewegungen der Körper umeinander, gibt es keine Bewegung, die die Größe (oder das Volumen) des Universums ändert. Slipher legte damit den Grundstein zur Beschreibung der Expansion des Universums.
Auf diesen Forschungen aufbauend hat Edwin Hubble die Entfernung der Andromeda-Galaxie bestimmt und erkannte, dass diese Rotverschiebung proportional zur Entfernung der Galaxien war. Der belgische Priester und Astronom Georges Edouard Lemaître war es dann, der die Arbeiten von Slipher, Einstein, Hubble, aber auch diversen anderen Wissenschaftlern, unter anderem Alexander Friedmann zusammentrug, und eine Urknalltheorie formulierte. Einstein selbst hielt diese Theorie zuerst für viel zu religiös angehaucht, da Lemaître diesen Urknall natürlich als Beginn der göttlichen Schöpfung sah. Ihm gelang es allerdings am Ende, Einstein von seiner Theorie zu überzeugen – eine Theorie, deren Korrektheit sich auch heute noch ständig erhärtet, nicht zuletzt nach Bekanntwerden der kosmischen Mikrowellenstrahlung.
Wichtig zu wissen ist, dass diese Rotverschiebung des Lichts nicht darauf zurückzuführen ist, dass sich die Galaxien voneinander wegbewegen, sondern daher rührt, dass sich das Universum – also der Raum selbst – ausdehnt, was die Abstände zwischen Galaxien vergrößert. Im Moment scheint es so, als laufe diese Expansion immer schneller ab, was irgendwann dazu führen wird, dass die Abstände zwischen einzelnen Galaxien so schnell wachsen, dass kein Licht mehr in benachbarte Galaxien vordringen kann. Die Expansion des Raumes verläuft schneller als die Geschwindigkeit des Lichts (was völlig okay ist, da sich keine Materie im Raum schneller bewegen kann als Licht, sich aber der Raum selbst in beliebiger Geschwindigkeit ausdehnen kann).
Momentan stellt das noch kein Problem dar, da uns ja weiterhin das Licht ferner Galaxien erreichen kann. Aber auch im Moment gibt es schon Stellen des Universums, die wir nicht sehen können, einfach weil deren Entfernung zur Erde so groß ist, dass ihr Licht uns nicht erreicht hat.
Und das Licht, bzw. die elektromagnetische Strahlung sind die einzigen Möglichkeiten die uns zur Beobachtung des Universums bleiben. Je weiter weg eine Galaxie von uns ist, desto länger dauert es, bis ihr Licht uns erreicht. Könnten wir einen Teil des Universums sehen, der 14 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist, würde uns heute das Licht erreichen, das während des Urknalls entstanden ist und uns verraten, wie das Universum unmittelbar nach seiner Geburt ausgesehen hat. Das Problem dabei ist allerdings folgendes:
In den ersten 380.000 Jahren war das Universum nur eine strahlende, trübe Suppe, aus der gar kein Licht entkommen konnte. Obwohl sich schon 0.0000000000000000000000000001 (10^-30Sekunden) nach dem Urknall die ersten Bausteine der Materie bildeten, brauchte es fast 400.000 Jahre, bis die Materie im Universum als einigermaßen stabile Atome zu existieren begann und das Universum für Licht durchlässig wurde.
Diese Grenze von 380.000 Jahren ist auch die Obergrenze, zu der wir theoretisch zurückschauen können. Trotzdem können wir diverse Vermutungen anstellen, wie das Universum zuvor ausgesehen hat. Diese bauen auf den Relativitätstheorien, der Kosmologie, sowie der Atomphysik auf und die Korrektheit der Annahmen ergibt sich aus der Materieverteilung und dem Verhalten von Galaxien in im beobachtbaren Universum. Und wie genau das Universum in den ersten Sekunden nach dem Urknall ausgesehen hat und woher die ersten, leichten Atome (also Wasserstoff und Helium) kamen, besprechen wir nächste Woche. Damit schließen wir dann auch den Kreis hin zur Supernova, da diese erklären, wie schwerere Elemente entstehen konnten.