Es ist Mitte März 2015, und die NASA hat Wasser gefunden. Zwar nicht hier auf der Erde, aber dafür auf Ganymed. Ganymed ist der größte der Monde des Planeten Jupiter und schon der dritte seiner Monde (neben Europa und Kallisto), der höchstwahrscheinlich Wasser in flüssiger Form birgt.
Dabei ist weniger die Tatsache interessant, dass Ganymed vermutlich einen Ozean beherbergt, das ist bei weitem keine Seltenheit. Neben den 3 Jupitermonden gibt es noch 6 weitere Monde in unserem Sonnensystem, auf denen Wasser vermutet wird.
Wer eine genaue Liste der Monde haben will, schaue hier nach.
Wirklich interessant ist mal wieder der Weg, auf dem diese Erkenntnis gewonnen wurde. Und um den soll es hier heute gleich noch gehen. Aber vorher werfen wir mal einen kleinen Blick auf die Geschichte von Ganymed.
(Ganymed ist der Mond links unten. Das obendrüber ist unser Mond und das rechts daneben ist die Erde)
Ganymed, sowie seine drei Schwestern (Io, Europa und Kallisto – das Quartett wird auch die „galileischen Monde“ genannt), sind nur vier von insgesamt 67 Monden. Entdeckt wurden diese vier, 1610 von Galileo. Diese Entdeckung sollte ihm auch gar nicht so schwer gefallen sein, da diese 4 Monde extrem hell erstrahlen. Sie strahlen sogar so hell, dass man sie bereits mit einem Fernglas beobachten kann. Ein schönes Beobachtungsziel für alle Hobbyastronomen und solche, die es werden wollen.
Ganymed war schon eine ganze Weile Ziel von Beobachtungen, Überlegungen und Simulationen.
Die Überlegung, dass es auf Ganymed ebenfalls Wasser gibt, ist durchaus keine neue. Schon in den 70ern stellte man Modelle auf, die zu dieser Vermutung führten.
Um genauere Informationen über den Aufbau der Monde, sowie des Jupiter zu bekommen, hat man 1989 die Raumsonde Galileo gestartet, die sich 7 Jahre auf den Weg durch das Sonnensystem machte, bis sie 1996 den ersten Vorbeiflug an Ganymed antreten konnte.
Galileo besuchte Ganymed insgesamt 4 Mal, untersuchte dabei das Magnetfeld des Mondes und nutzte Radiosignale, um den Planeten zu vermessen. Dabei fand man Hinweise darauf, dass das Magnetfeld leicht schief steht. Es weist eine Neigung hin zum Pol auf, die auf einen Eisenkern zurückzuführen ist. Zudem konnte Galileo zeigen, dass die Seen salzig sind, da sie Magnesiumsulfat beinhalten.
Ich muss sagen, die komplette Galileo-Mission ist ziemlich interessant und dank der peniblen Dokumentation der NASA gibt es viel darüber zu berichten. Ich glaube, ich mache an dieser Stelle mal einen Cut und schreibe eventuell einen eigenen Text über die komplette Mission, bei der ich auf die Details eingehe.
Kommen wir also kurz zur Struktur des Mondes, und anschließend mal zum endgültigen Nachweis von Wasser auf dem Planeten.
Der Aufbau des Mondes lässt sich als eine Art Sandwich darstellen. Die Eiskruste, die den Planeten ummantelt ist ungefähr 150km dick, der Ozean darunter, weist eine Tiefe von rund 100km auf. Unterhalb des Ozeans existiert eine weitere Eisschicht, die rund 700km dick ist. Darunter befindet sich die Gesteinsschicht des Mondes, in die letztendlich eine Eisenfüllung eingebettet ist.
Auch wenn ich meinem baldigen Text über die Galileo-Mission damit das dramatische Ende klaue: Galileo wurde nach einiger Zeit in den Jupiter geschickt, um dort sein heldenhaftes Ende zu finden. Will man nun weitere Beobachtungen anstellen, muss man dafür auf das Hubble-Teleskop zurückgreifen. Und das tut man auch fleißig. Hubbles Aufgabe war die Untersuchung der Polarlichter von Ganymed.
Damit Polarlichter entstehen braucht es in erster Linie zwei Dinge: Die Sonne und ein Magnetfeld. Die Sonne schießt ja ununterbrochen Zeug ins All. Dazu gehören auch jede Menge geladener Teilchen. Diese Teilchen sind meistens ungebundene Elektronen und positive Ionen, wie Protonen, die in alle Richtungen durch das All fliegen. Diese Teilchen treffen irgendwann auf Planeten in ihrem Weg, zu denen ebenfalls die Erde, aber auch Jupiter oder Ganymed gehören.
Und hier kommt das Magnetfeld ins Spiel.
Das folgende Bild zeigt, wie das Magnetfeld die Teilchen ablenkt:
Da auf dem Bild die Erde zu sehen ist, verwenden wir unseren blauen Planeten mal als Exemplar. Analoges gilt natürlich auch für Ganymed.
Die Teilchen, die von der Sonne ausgeschickt werden, treffen die Erde nicht willkürlich, sondern werden vom Magnetfeld abgelenkt. Dabei fliegen die Teilchen sozusagen am Magnetfeld entlang. Das hat zur Folge, dass sie an den Punkten, an denen das Magnetfeld „aus der Erde entspringt“, in die Erdatmosphäre eindringen können. Da die Feldlinien des Magnetfeldes an den Polen entspringen, erklärt das auch, warum das Polarlicht unter normalen Umständen nur an den Polen, bzw. in den nördlichen Regionen Skandinaviens zu sehen ist.
Je nachdem, wie energiegeladen die Teilchen sind, die auf die Erde treffen, können sie unterschiedlich Tief in selbige eindringen und ihre Energie an die Luftmoleküle um sie herum abgeben. Durch die Abgabe dieser Energie fängt nun die Luft an zu leuchten und das Polarlicht entsteht. Ich habe in meinem Text über die Spektroskopie und die Bestimmung von Wellenlängen noch ein wenig mehr über Elektronen geschrieben. Und darüber, was man so alles aus der Energie herauslesen kann, die sie abgeben.
Glücklicherweise besitzt auch Ganymed ein Magnetfeld. Aber nicht nur Ganymed. Auch Jupiter hat eines. Und da Ganymed als Jupitermond mit nur einer Million Kilometer Abstand um Jupiter herum kreist, liegt Ganymed noch im Magnetfeld von Jupiter. Nun kann man sich sicher vorstellen, dass die Polarlichter, die auf Ganymed entstehen, auch irgendwie von Jupiters Magnetfeld beeinflusst werden. Und genau das passiert auch. Normalerweise kann man berechnen, wo die Polarlichter auf Ganymed auftauchen. Durch Jupiters Einfluss schwanken die Positionen der Polarlichter um 5.8° ± 1.3°. Dachte man zumindest. Hubble hat allerdings nur eine Schwankung von 2.0° ±1.3° gemessen. Das schreit förmlich nach einer Erklärung, die Abseits von Magnetfeldern liegt. Diese 2° passen allerdings wunderbar in das Erklärungsmodell, das die verminderte Bewegung der Polarlichter auf die Anwesenheit eines Ozeans mit flüssigem Salzwasser auf dem Planeten zurückführt.
Das Wasser auf dem Mond interagiert mit dem Magnetfeld von Jupiter. Diese Interaktion (genauer: Die Tatsache, dass sich die Magnetfelder mit der Zeit „bewegen“, also ändern) erzeugt einen elektrischen Strom und damit auch ein Magnetfeld. Kommt nun eine gigantische Menge Salzwasser ins Spiel, verstärkt sich dieser sogenannte Induktionseffekt. Diese Induktion schwächt wiederrum den Einfluss von Jupiters Magnetfeld, was dazu führt, dass die Polarlichter nicht mehr im erwarteten Rahmen schwanken, sondern sich in einem kleineren Winkel bewegen.
Warum Salz so eine wichtige Rolle spielt, betrachten wir hier nochmal näher, am Beispiel Kochsalz (auf Ganymed ist es Magnesiumsulfat, aber das Prinzip ist dasselbe):
Kochsalz besteht aus Natrium und Chlor. Das Natriumion ist dabei positiv geladen, das Chlorion negativ. Man spricht dabei von einer Ionenbindung. Die Ionen sind in einer Gitterform angeordnet, was letztendlich für den charakteristischen Salzkristall verantwortlich ist. Löst man dieses Kristallgitter nun auf, weil man das Salz in Wasser gibt, umschließen die Wassermoleküle die einzelnen Ionen, was die elektrische Leitfähigkeit des Wasser erhöht, da Natrium und Chlor nun als Ionen in der Lage sind, sich frei durch das Wasser zu bewegen (man nennt sie dann auch Elektrolyte). Sie sind nicht mehr in ihrem Salzgitter an Ort und Stelle festgenagelt. Das Ganze funktioniert allerdings nur, wenn man eine Spannung anlegt. Zum Glück gibt es da ja die elektromagnetischen Felder von Jupiter, die diesen Job erledigen. Nun ist jeder elektrische Strom ja auch der Ausgang eines elektromagnetischen Feldes, was den Ozean in die Lage versetzt, den Einfluss von Jupiters Magnetfeld auf Ganymed zu dämpfen und die Schwankung der Polarlichter zu verringern.
Nachdem wir uns jetzt mit den physikalischen Voraussetzungen vertraut gemacht haben, die zu der Vermutung geführt haben, dass es auf Ganymed einen riesigen Ozean gibt, möchte ich nochmal klarstellen, was DAS für eine Leistung war. Immerhin hat man den Ozean nicht direkt detektiert, sondern ist einen Umweg gegangen, indem man das Magnetfeld von Jupiter detektiert hat. Anschließend hat man sich die Entstehung von Polarlichtern auf dem einzigen Mond im Sonnensystem mit eigenem Magnetfeld zunutze gemacht, um die Bewegung der Polarlichter rundum die beiden Pole zu beobachten. Man hat festgestellt, dass die Bewegung nicht so stark ist, wie erwartet und hat daraus gefolgert, dass es eine Kraft geben muss, die den Einfluss des Magnetfeldes abschwächt. Nach einem kleinen Abstecher in die Chemie und deren Salzlösungen kam man letztendlich auf den Trichter, dass es ein gigantischer Ozean, gefüllt mit Salzwasser gewesen sein muss, der einen Induktionsstrom erzeugt, welcher das Magnetfeld von Jupiter beeinträchtigt.
Und alles was man dafür brauchte, war eine Handvoll Menschen, deren Fähigkeit zu denken, sowie das HUBBLE-Teleskop.
Oder, um das ganze nochmal abzukürzen:
Und wir sind jetzt auch tatsächlich am Ende des Textes angelangt. Trotzdem bleibt noch eine Frage offen:
Wie kann es sein, dass es zwischen zwei so dicken Eisschichten Wasser geben kann? Sollte man nicht annehmen, dass entweder der ganze Planet gefroren ist, oder dass sich das Wasser in tieferen Regionen des Mondes findet?
Die Antwort wird ein eigener Text werden, den ich hoffentlich bald schreibe. In diesem wird sich alles um Eis auf der Erde und Eis im Rest des Universums drehen.
Für alle, die noch nicht genug von dem Thema haben, hier noch zwei weitere Artikel, die mir als verlässliche Quellen dienten:
Scientificamerican.com: Jupiters Moon Ganymede has a salty ocean with more water than earth
Ingenieur.de: Mit Hubble riesigen Salzwasserozean in 100 Kilometer Tiefe entdeckt