Rike im Land der Gentechnik

"Elodea chloroplasts at 400X" by "albertstraub" (CC BY 2.0)
„Elodea chloroplasts at 400X“ by „albertstraub(CC BY 2.0)

 

Der folgende Beitrag stammt von einer lieben Freundin, die im Laufe ihres Lebens eine Kehrtwende von der Gentechnik-Gegnerin, hin zur GMO-Befürworterin gemacht hat. Hier schildert sie ihre Erfahrungen und gibt ein paar Tipps, wie man GMO-Gegner überzeugen kann:

 

Warum ich heute Pro-GMO bin:

Die CRISPR-Entscheidung des EuGH hat sie wieder auf den Tisch gebracht: Das alte Gespenst der Bildungsbürger die immer Sommer auch mal Kresse auf ihrer Fensterbank züchten: Die Gentechnik. Noch vor ca 5 Jahren hätte ich wohl zugestimmt: Gentechnik ist viel zu gefährlich um in irgendeiner Form erlaubt zu sein. Eine nachhaltige gesunde Landwirtschaft kommt ohne aus.

Ich habe meine Meinung komplett geändert und glaube, dass noch viel mehr Menschen ihre Meinung komplett ändern sollten. Ich bin nur eine einzelne Person, das heißt, das funktioniert bestimmt nicht bei jedem und es hat lange gedauert.

 

1)  Der Wandel kam langsam:

Für mich war klar, dass Gentechnik böse ist und ich hätte das niemals hinterfragt. In meinem Umfeld war das auch allen Leuten klar, deswegen hätte ich auch gar keinen Anlass gehabt, meine Meinung zu ändern. Meistens spielte das Thema keine Rolle, und wenn es in meinem Leben Menschen gab, die pro-GMO waren, so sagten sie es jedenfalls nicht. Ich hatte auch keine Vorstellung davon, wie jemand, der für Gentechnik sein konnte, überhaupt aussehen könnte. Meine Vorstellungen waren ziemlich vage aber irgendwie mit globalen Konzernen und Geldmacherei verbunden. Mein erster Kontakt damit, dass man es auch anders sehen kann, hatte ich in einem Podcast, den ich irgendwann 2013 zu hören anfing: „Rationally Speaking„. Es ging eigentlich um etwas komplett Anderes, nämlich darum wie ein Rationales Leben aussieht, was Rationalität überhaupt ist, welche Rolle Philosophie in den Naturwissenschaften spielen sollte, Transhumanismus und so weiter. Zwei zumindest im Podcast äußerst nette Menschen (Julia Galef und Massimo Pigliucci) unterhielten sich und gelegentlich kam das Gespräch auf GMOs und dass die ja völlig unbedenklich wären. Ich war irritiert. Ich mochte Julia und Massimo und sie schienen irgendwie dauernd Recht zu haben oder zumindest sehr genau zu überlegen, was sie für richtig hielten – aber warum fanden sie GMOs dann so völlig unbedenklich? Mehr als irritiert war ich zunächst nicht. Alle Leute haben Macken, dachte ich. Darum ging es außerdem doch gar nicht… Das Thema kam immer wieder und manchmal waren auch Gäste eingeladen, die noch weiter darüber sprachen. Ich wurde immer irritierter

 

2) Die andere Seite waren anscheinend keine Monster:

Wie bereits gesagt: Julia und Massimo waren im Podcast immer grundsympathisch. Ihre Gäste machten auch einen lieben Eindruck. Und ihnen allen waren so viele Dinge wichtig, die mir auch wichtig waren: Wissenschaft, Vernunft, Entscheidungen aufgrund von Fakten, Erhalt des Planeten, sinnvoller Umgang mit Ressourcen, Bekämpfung des Welthungers… Die Gäste schienen auch alle nicht zu irgendwelchen Konzernen zu gehören oder eine bestimmte Agenda zu verfolgen oder mit Gentechnik ihr Geld zu verdienen… Ich fing an ein konkretes Bild von Pro-GMO Vertretern zu entwickeln und das entsprach überhaupt nicht dem, das ich vorher gehabt hatte.

 

3) Andere und gute Geschichten

Ich fing an aktiv nach Berichten über GMOs zu suchen und mir „die andere Seite“ anzusehen. Dabei fiel mir vor allem eines auf: Die Geschichten unterschieden sich. Zwar widerlegten manche Personen, die Pro-GMOs argumentierten, ab und an Berichte von Gentechnikgegner, wie etwa die von den Massen-Suiziden von Bauern, aber oft ging es um etwas völlig Anderes: Darum mit Wissenschaft und Technik mehr und bessere Nahrung zu schaffen. Sie sprachen von Problemen, die so bei Gentechnik-Gegnern keine Rolle gespielt hatten: z.B. wie viel bebaubares Land es überhaupt gab und wie hoch der Ertrag davon war, wie sehr sich der Ertrag von Pflanzen durch Züchtung schon gesteigert hatte und dass Wissenschaftler ihn noch mehr steigern könnten, dass alle Pflanzen die ich zu mir nahm, stark verändert waren und dass Gentechnik sie noch leckerer und kernärmer machen könnte – vielleicht ein Luxusproblem aber doch sehr praktisch. Dass es eventuell möglich wäre, Erdnüsse zu züchten, die keine Allergien auslösten (Ich bin Erdnuss-Allergiker). Besonders stach für mich Golden Rice hervor – eine gelbe Reissorte mit erhöhtem Vitamin-A-gehalt, der in Entwicklungsländern Nährstoffelmangel eindämmen, Sterblichkeit verringern  und das Erblinden von Kindern verhindern sollte. Der Sinn leuchtete mir unmittelbar ein.  Anscheinend gab es Menschen, die zumindest ehrlich daran glaubten, mit Gentechnik die Welt ein bisschen besser zu machen. Ok, vielleicht standen doch die räuberischen Interessen von globalen Firmen dahinter, aber der Enthusiasmus der Gentechnik-Fans schien zumindest echt – und ihre Ziele waren auch überhaupt nicht verwerflich. Mein Bild von Gentechnik-Befürwortern wurde noch differenzierter. Gleichzeitig wurde ich mit Berichten konfrontiert, die die Gentechnik-Gegner in ein sehr schlechtes Licht rückten. Sie hätten Felder zerstört und unabhängige Tests verhindert. Es ginge oft nicht um Sachfragen, sondern um Ideologie…. Meine Vorstellung der beiden Lager wurde immer komplizierter.

Schließlich las ich auch Diskussion von Gentechiker-Gegner mit Beführwortern und ein Argument fiel mir besonders ins Auge: „Bei Klimaschutz und Impfungen vertrauen Sie doch auch auf den wissenschaftlichen Konsens, was ist bei Gentechnik anders?“ und Variationen davon. Dass Gentechnik unschädlich ist, war also wissenschaftlicher Konsens? Es dauerte eine Weile bis diese Erkenntnis bei mir durchsank. Zuerst hielt ich das für eine Aussage wie „Tabak ist gesund“ und glaubte, niemand außer der ominösen Gentechnik-Lobby würde so etwas sagen, aber während sich mein Bild von den Gentechnik-Befürwortern wandelte, so bekam auch die Aussage „Die Unschädlichkeit von Gentechnik ist wissenschaftlicher Konsens“ eine andere Färbung. Ich wollte doch dem wissenschaftlichen Konsens folgen. Und es handelte sich hier wohl um tatsächlichen wissenschaftlichen Konsens und nicht um bezahlte Einzelstudien. War ich die ganze Zeit eine Art Impfgegner oder Klimawandelleugner gewesen? Meine Werte gerieten in Konflikt. Wissenschaft war mir wichtig, aber Gentechnik war doch immer böse gewesen und alle wussten es? Ich verschob den Widerspruch in wenig beleuchtete Windungen meines Gehirns, wo er vor sich hin gärte.

 

4) How many people does it take to break an omertà?

Während ich also meinem Alltag nachging und nicht über Gentechnik nachdachte kam es doch gelegentlich irgendwie auf den Tisch und wie mir auffiel verbunden mit noch einem anderen Argument: Wenn Gentechnik so schädlich wäre, oder zumindest dubios und unsicher, wieso sagten dann so viele vernünftige Leute, die zumindest keinen direkten finanziellen Vorteil zu erhoffen hatte, es sei völlig unbedenklich? Es ging ja nicht um verstauchte Augenbrauen, sondern um so ernste Dinge wie Krebs. Wieso sollte es so viele Wissenschaftler und Skeptiker mit ihren Podcasts und YouTube Videos und Blogs völlig egal sein, dass Menschen an Krebs erkrankten? Zumal sie ja selbst gar nicht sicher waren, denn Gentechnik, so zumindest die Gegner, einmal auf die Pflanzenwelt losgelassen breitete sich ja angeblich überall aus. Also musste doch jeder damit rechnen selbst von den Folgen betroffen sein zu können. Manchmal sprachen Gentechnik-Befürworter das sogar direkt an: Es sei nicht möglich, dass so viele Leute gleichgeschaltet den Mund über schädliche Produkte hielten – irgendwann würde das auffliegen und zwar wirklich auffliegen, nicht in Form von „Aber Monsanto hat der Uni von dem Professor vor 15 Jahren mal drei Kugelschreiber geschenkt, das ist doch Bestechung.“ Das Argument „Du bist doch von Monsanto bezahlt“ wurde von Gentechnik-Gegnern zu oft und zu leichtfertig verwendet und so viel Geld um in Kauf zu nehmen, dass die eigenen Kinder an Krebs und Allergien stürben hatte dann wohl selbst Monsanto nicht. Es gab also entweder eine Riesenverschwörung, oder die Gentechnik-Befürworter hatten gute Gründe und waren zumindest ehrlich von ihrer Meinung überzeugt. Ich lies immer noch Platz dafür, dass sie vielleicht doch Unrecht hatten – aber es waren keine Monster und die bösen Gentechnik-Firmen entwickelten sich in meinem Kopf immer mehr hin zu relativ normalen Unternehmen.

 

5) Ein paar Praxistipps

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich Gentechnik für unbedenklich hielt. Ich habe meine Meinung geändert, aber das geschah über einen längeren Zeitraum und über eine weite Spanne war ich irgendwie gespalten und wusste nicht so recht, was ich eigentlich glauben sollte. Noch weniger weiß ich, wann und wie genau ich an meiner Meinung zu zweifeln begann. Aber ich habe meine Meinung geändert und das erfühlt mich mit Hoffnung, dass andere das auch können. Allgemeingültige Aussagen darüber, wie man jemanden dazu bringt, seine Meinung über Gentechnik zu ändern, habe ich leider nicht, aber zumindest ein paar Ideen und Dinge, die mir an mir selbst aufgefallen sind:

 

  • Es braucht Zeit, bis jemand seine Meinung komplett ändert:

Der Prozess, den ich hier beschrieben habe, hat über zwei Jahre gebraucht und die meiste Zeit passierte nach außen hin gar nichts. Oft müssen neue Erkenntnisse ein bisschen verdaut werden und ich kann von mir selbst sagen, dass ich mich an manche Dinge zum Beispiel die Idee das Gentechnik etwas Anderes sein könnte als eine teuflische Idee von geldgierigen Firmen, langsam gewöhnen musste. Von heute auf morgen ging das nicht. Zuerst verspürte ich auch einen enormen Widerstand gegen diese mir absurd erscheinende Ansicht, Gentechnik sei etwas Gutes. Dieser Widerstand löste sich nur ganz allmählich auf.

 

  • Missionare nerven

Kennen sie diese Leute, die an der Tür klingeln und mit ihnen über die Bibel, das Jenseits und ihren Erlöser sprechen wollen… Die finden sie ziemlich nervig oder? Kein Wunder, sie wollten doch gar keine neue Religion haben. Die meisten Menschen wollen auch keine neue Meinung haben. Die meisten Menschen haben auch in ihrem Leben Regionen, wo sie Unrecht haben – das ist aber keine Einladung an die, die Recht haben, ungebetene Aufklärung zu leisten. Die Offenheit für eine Meinungsänderung muss in aller Regel erst erzeugt werden.

 

  • Gemeinsame Werte

Obwohl es erstaunliche viele Menschen gibt, die keine Probleme haben, Wissenschaftlern spontan Bestechlichkeit vorzuwerfen, wenn die was sagen, was ihnen nicht passt, hat Wissenschaft an sich doch einen relativ guten Ruf. Viele Leute, die Gentechnik für eine Büchse der Pandora bis zum Rand gefüllt mit Frankenpflanzen halten, haben bei anderen Fragen wie etwa Impfungen, Klimawandel oder Raumfahrt eine durchaus hohe Meinung von Wissenschaft und halten Klimaskeptiker oder Kreationisten für seltsame Spinner. Die meisten Menschen halten auch die Ernährung der gesamten Weltbevölkerung für durchaus wünschenswert. Die meisten Menschen wollen tatsächlich auch einfach Meinungen haben, die mit der Realität übereinstimmen. Bei mir hat die Meinungsänderung viel darüber funktioniert, dass meine Werte mit meiner Meinung in Konflikt gerieten.

 

  • Hilfe zur Selbsthilfe

Ideal ist wenn jemand so viele Zweifel und Widersprüche sammelt, dass er oder sie selbst anfängt sich verschiedene Dinge anzuschauen. Das Internet ist zwar leider ein seltsamer Ort voller Missinformation, aber in dem Stadium, in dem jemand bewusst ist, dass es tatsächlich eine legitime andere Seite gibt, kann es durchaus hilfreich sein, mal zu googeln. Das soll nicht heißen, dass die richtige Antwort ‘Du hast offensichtlich keine Ahnung, lies erstmal das Internet“ ist, aber der Hinweis auf bestimmte Webseiten, Filme, Blogs oder so kann schon helfen. Das ist auch insofern gut, als dass man dann nicht alle Argumente immer selbst parat haben muss.

 

  • Es ist nicht geil, ein Arschloch zu sein

Das Problem am „sich mit komplizierten Dingen wie Genetik, Biochemie oder Pflanzenzucht auskennen“ ist, dass es Überlegenheitsgefühle fördert. Das ist eine unangenehme Eigenschaft von Universitätsabschlüssen generell, je höher sie sind desto mehr. Man hat mehr Ahnung als andere, zumindest ziemlich oft. Und das ist furchtbar unsympathisch. Man hat die Argumente der emotionsgeladenen ideologieverblendeten Privat-Bohnenzüchter schon N>1.000.000-mal gehört und es nervt nur noch, denn es ist immer der gleiche „Aber das kann doch nicht natürlich und gesund sein und die Bauern in Indien und die Fischtomate“ Blödsinn. Es ist sehr menschlich ungeduldig zu werden und die „Ich beschäftige mich damit und du nicht“ Karte oder zumindest die „Ich bin Naturwissenschaftler und du bist Social-Media-Managerin mit einem Bachelor in horizontaler Tierkommunikation, was weißt du denn schon“-Karte zu spielen – aber dann hört einem wirklich keiner mehr zu. Menschen mögen es in aller Regel nicht, wenn man herablassend ist und glauben in aller Regel ihre Meinungen mit guter und logischer Begründung zu führen. Es kann innerhalb von geschützten Sphären durchaus jede Menge Spaß machen sich über Greenpeace usw. lustig zu machen, vermutlich braucht man das für die geistige Hygiene. Wenn aber das Ziel ist jemand zu überzeugen, hilft es möglichst freundlich, sachlich und bescheiden zu sein und nie zu vergessen, dass man selbst auch nicht immer Recht hat.